Bei Battle Royale spielen tut eine Niederlage meistens mehr weh und die Endtäuschung ist größer als bei anderen Gamemodes. Umso intensiver ist die Endphase einer Runde, bei der das Adrenalin nach oben schießt, die Hände zittrig werden und bei Erfolg vor Glück und Erleichterung Tränen fließen. Was ein gutes Battle Royale Spiel ausmacht? Die erlebten Geschichten. Zahlreiche sind es bisher bei PUBG, ein paar davon im Video festgehalten. Beim schnelleren Konkurrenten Apex erinnere ich mich gerade an keine. Bei BFV hatten wir schon so einige bleibende Momente, PUBG bleibt aber ungeschlagen. Nichtsdestotrotz, Heute greife ich eine Runde von Tom und mir auf, eine unserer ersten Runden im neuen BR-Modus Firestorm von Battlefield V.
Der Heli
Der Plan war es einfach nur einen Heli zu finden. Was wir damit vorhatten stand noch in den Sternen. Wir waren noch neu auf dem Battlefield, kannten uns noch nicht in Halvoy aus, einer kleinen Bucht in Norwegen. Tom hatte bei einem Solo-Besuch einen Landeplatz erspäht und machte diesen vor dem Match auf unserer Karte, welche wir grundsätzlich bei unseren Ausflügen dabei hatten, ausfindig. Und so hatten wir ein Landeziel für unseren Absprung, denn die verschneite Bucht ist bis heute nur über einem Fallschirmsprung aus einer JU-52 erreichbar.
Kurz vor Landung auf dem schneefreien Waldboden im wärmeren Teil des Gebietes, viel uns auf, dass wir nicht alleine waren. Eine halbe Armee hatte es wie wir auf das kleine Dorf samt Landeplatz mit Helikopter abgesehen. Im richtigen Moment die Reißleine gezogen, landeten wir aber als erster neben dem schwarzen Gefährt. Den Fallschirm direkt abgeworfen, sprang mein Kamerad Tom über den mit Pfützen übersäten Landeplatz direkt an den noch kalten Steuerknüppel des Helis. Während die Rotoren schon anfingen sich zu drehen und das Surren langsam lauter wurde, hangelte auch ich mich über den Schlamm an einen der seitlichen Beifahrerplätze. Tom – das erste mal hinterm Steuer dieses Fahrzeuges – hob also ab und wir ließen unsere zwei Randoms zurück im Häuserkampf des kleinen Ortes in dem wir gelandet waren. Wir kommen wieder. Ganz sicher.
Gerade 20 Meter in der Luft, wackelten wir, Tom sich mit der Steuerung vertraut machend, unsicher über einen großen dunklen, ja fast schwarzen See hinweg. Unter uns kleine bunte Holzhütten, prall gefüllt mit Waffen und Equipment (Loot) welchen die Schau- und Schießlustigen schnell und gierig wie ein bobby aufsaugten. Das Gefühl von Sicherheit bot sich uns aber nur kurz, woraufhin Kugeln durch die Luft zischten, als hätten sich alle Besucher von Halvoy gegen uns verbündet. War es Neid wegen des Helikopters? Oder einfach nur die reine Lust am Töten?
Mit einem leichten rauf-runter-Ausweich-Manöver flogen wir weiter über den See, um in sicherer Entfernung zu diesen Irren nach einer Waffe suchen zu können. Auf der anderen Uferseite angekommen ging Tom also in den Senkflug. Doch plötzlich öffnete sich eine Tür an einem der kleinen, sonst so friedlich aussehenden Häuser. Ganz in Helikopter-Manier drehten wir seitwärts ab, am Horizont das nächste Dorf im Fokus. Aber auch dort erwartete man uns schon und wir drehten gerade noch so ab.
Jetzt musste Navigator Jan ans Werk. Die Dörfer schienen alle besetzt zu sein. Da blieb uns nur noch eine kleine Lichtung um Wald, fernab der Dörfer und ihrer wilden Loot-Horde. Unter tosenden Rotorengeballer wurde also kurzerhand beschlossen, sich an einem Versorgungsbunker im Wald abzusenken.
Bevor die Kufen den Waldboden berühren, sprang Jan in Richtung des Bunkers Türöffner, welcher ein schwarzes und schmieriges Drehrad war. Zwei um genau zu sein, an jeder Seite des Bunkers eins. Beim ankurbeln des Rades übertönen tosende Siren die leiser werdende Rotoren und ich hörte Tom noch irgendwas wie „AAAaah, Bush“ rufen; der Heli rutschte langsam mit seiner Restgeschwindigkeit unter die Bäume, direkt in eine dichte, grüne Buschformation. Unser Fluchtfahrzeug war außer Gefecht, so schien es zumindest.
Keine Zeit zu trauern. Tom sprang an das zweite Drehrad und zwei tonnenschwere, dicke, metallene Tore öffneten sich nach oben, diagonal zum Waldboden. Es ähnelte fast einer Luke für einen Raketenstart, nur erspähten wir hinter der Öffnung eine schräge Rampe ins Dunkle. Gerade so weit geöffnet dass wir durch passten, stürzten wir uns in das tiefe Schwarz der – und so klärte sich die Situation mit dem Fluchtfahrzeug – Garage. Denn als am Ende der Rampe drei flackernde Glühbirnen langsam den Raum erleuchten, offenbarte sich uns ein Stahlkollos. Zumindest ein kleiner. Ein Panzer 38T parkte seelenruhig im kalten und dunklen Keller dieser Garage. Wie bestellt und nicht abgeholt. Plötzlich, Schrittgeräusche. Eine Person. Nein zwei mindestens. Oder war es doch ein ganzes Squad?
Ganz leise im Hintergrund hörte man ein zaghaftes Klicken. Oder eher ein Klackern, wie das von einem … Ja, jemand knackte da gerade einen Safe! Während Tom angespannt in Richtung der einzigen Lichtquelle starrte und die Schritte lauter wurden, drückte ich die „E“-Taste durch den Tisch. Die Gegner kamen immer näher in Richtung Luke, und wir hatten immer noch keinen Loot. Nur diese eine Chance, der Inhalt des Safes. Zack, mit einem Ruck öffnete sich die schwere Klappe des Safes und heraus fielen eine Schutzweste und ein leichtes MG. Eine FG-42. Mit einem Magazin. Ein Magazin für ein Squad. Ich guckte rüber zu Tom, bei dem sich vor Anspannung und schierer Angst kein einzelner Muskel bewegte. Aber er wirkte ruhig. Sein Gesicht wie programmiert. Wie von einem Grafiker designed und später am Computer programmiert, nur um genau so auszusehen.
Und dann verschwand das einzige Vertraute Gesicht in dieser kalten, norwegischen Welt unter dem Schatten des Feindes.
Reflexartig schwang ich meine Waffe auf die Öffnung am Ende der Rampe und gab warnend zwei, drei Schüsse ab. Die vom Krieg gezeichnete, fiese Fratze wich aus und verschwand wieder. Es war ruhig. Wir sahen wieder Wald, Bäume und vielleicht ein paar Ratten, die am Ende des Ganges aus der Garage huschten. Dann plötzlich ein Geräusch, wie von einem abgerissenen Rotor, welcher einem um die Ohren fliegt. Direkt vorbei an unseren Ohren bis hin an das Ende der Garage. Wir wendeten unsere Blicke reflexartig ab von der Rampe, drehten uns um und mit einem Klackern landet erst eine, dann eine zweite Stielgranate der Deutschen Wehrmacht hinter uns.
Ich muss kurz einen Abstecher machen. Das dies eine Granate der Deutschen ist konnte mir Tom verraten, schließlich saßen wir gerade als ein Deutscher und ein Brite gemeinsam im Bunker. Warum Soldaten zweier Nationen sich zu kleinen Teams zusammenschlossen und versuchten sich gegenseitig umzubringen, konnten wir nur mutmaßen. Warum überall Waffen und Stielgranaten in kleinen, gemütlichen und in knallbunten Holzhäusern verteilt wurden, das hatte uns keiner verraten. Vielleicht hatte es etwas mit den elektromagnetischen Gerätschaften, welche in qualmenden, von Glut durchsetzten Kratern standen und in dieser sonst so friedlichen Landschaft verteilt waren, auf sich. Oder war das Alles eine Verschwörung aus Dosen? (Insider!?) Und wer ist eigentlich Sulis?
Zurück zu unserer brenzlichen, ja scheinbar unmöglichen Situation in der Garage.
Die Graten rollten also langsam am Ende der Garage gegen die dort stehenden Regale. Darauf folgte eine Explosion, welche ohrenbetäubend durch den kleinen Raum hallte. Ich schrie in Toms Richtung dass ich nur ein angebrochenes Magazin mit etwa 18 Schuss hatte, um uns gegen die Angreifer zu verteidigen. Völlig unbeeindruckt von dem Feuerball stand der Panzer neben uns beiden und da schoss Tom wie ein Raketenstart in das Mikrofon: „Der Panzer!“. Beide sprangen wir sofort in den sicheren Unterschlupf. Tom besetzte das Geschütz. Ich fuhr leicht an die Schräge, er richtete das Geschütz in Richtung Öffnung. Ein Moment Stille.
Doch nur kurz, dann zeigte sich wieder eine der hässlichen Visagen vor der Wald-Kulisse und über seiner Schulter: Eine Panzerfaust. Die Funken flogen, es knallte und ein Treffer schlug am Panzer ein. Tom antwortete mit einem Schuss aus dem Panzerrohr und traf die leicht geöffneten Stahltore. Diese zeigten sich unbeeindruckt und bewegten sich keinen Zentimeter. Eins war aber klar: so passte dort kein Panzer durch.
Nach dem ersten Treffer am Panzer sprang ich hastig aus der Fahrerkabine und versteckte mich hinter einem kleinen Vorsprung, der die einzige Deckung im Bunker bot. Jetzt kamen auch die Kammeraden unseres Angreifers mit gezückter Panzerabwehr und es hagelte Einschläge. Bei jedem Aufblitzen eines Gegners feuerte ich einen Schuss ab und landete so den Ein oder Anderen Streifschuss. Im letzten Moment sprang auch Tom aus dem Panzer, gerade bevor dieser kurz darauf in einer Explosion aufging und einen glühenden Metallklumpen zurück lies. Noch zehn Schuss im Magazin. Es wurde zurückgeschossen. Bis die letzte Kugel das Magazin verließ. Die einzige Hoffnung, so schien es, dass die Gegner den Bluff nicht bemerkten. Der Quit-Button rückte in unscheinbare Nähe.
Doch dann näherte sich ein tosendes Geräusch. Es wurde immer lauter. Die Luft roch nach Metall, Schwarzpulver und, ja und Feuer. Langsam verfärbt sich die Luft rot, als dann eine knackende und knirschende Wand aus Flammen den Wald und mit ihm den Bunker in sich verschlang. Unter den lodernden Meer aus Flammen verstummen die Schussgeräusche der Angreifer. Es waren auch keine Schritte mehr zu hören. Oder wurden diese nur vom lauten Rauschen des Feuers überdeckt?
Ohne Arzneimittel beschlossen wir beiden Kellerkinder den Bunker schnellstmöglich zu verlassen, das Feuer hinterließ nun so langsam auch bei uns seine Spuren. Weit entfernt von einer sicheren Zone, das einzige Fahrzeug zu Schrott zusammengeschmolzen, im Feuer, welches direkt aus der Hölle zu kommen schien, offenbarte sich uns hinter dem Ausgang des Bunkers die Rettung: Der Helikopter stand nahezu unversehrt in seinem Busch. Doch die Nadeln des dichten Waldes hingen über den Rotoren. Ein Start schien nicht möglich ohne das Gefährt dabei zu Schrotten. Doch es war die einzige Chance die uns noch blieb. Die einzige Möglichkeit diesen Tag noch zu retten.
Das Blatt hatte sich gewendet. Mit einem gekonnten Manöver stieg unser Metallvogel empor aus den norwegischen Nadelwäldern, als hätte er nie etwas anderes getan. Irgendwo unter uns befanden sich nun unsere ehemaligen Angreifer und kämpfen mit den Flammen. Die frische Luft der Rotoren umschmeichelte unsere angestrengten Gesichter.
Wie aus einer Kanone geschossen traten wir mit einem Schlag wieder in die sichere Atmosphäre ein und der Himmel färbte sich langsam aber sicher wieder blau. Kalt wurde es. Aber das konnte man wohl hinnehmen, wenn man gerade um ein Haar dem lodernden Flammen der Hölle entkommen war. In etwa 100 Metern höhe steuerte Pilot Tom über den großen See der keinen Namen hat. Im Hintergrund noch einzelne Schüsse der Mitstreiter, der Helikopter schien für sie in unerreichbarer Höhe. In Richtung eines Staudamms fliegend und vor Glück lachend, holte uns beide Vögelchen die Realität schneller wieder ein als uns lieb war. Das Feuer fackelte zwar in sicherer Entfernung, aber ohne Schießgewehre würden sich die Gegner wohl kaum von alleine ergeben. Da bleibt uns nur eins: der sichere Süden.
Im Süden, weit von den Gefahren dieser Welt entfernt, landete Tom den Heli in einem scheinbar unberührten Dorf am Meer. Ja und tatsächlich bot sich uns dort die Möglichkeit, wenn auch nicht besonders, aber uns ausreichend auszustatten. Mit einem Klapps auf den Po verabschiedeten wir uns von unserem treuen Begleiter der Lüfte und beschlossen uns auf den kahlen, aber grünen Hügeln, über der Küste zu verschanzen. Doch dann erhob sich ein großer, dunkelgrüner Ballon wie aus dem Nichts auf dem Kamm direkt in Laufrichtung.
Nach der scheinbar unbemerkten Landung war es nun ruhig. Nur der Ballon stieg seelenruhig auf und machte dabei ein quietschendes Geräusch, was von einer Kabeltrommel am Boden ausging, aus der sich langsam ein Stahlseil, an welchen dieser befestigt war, abrollte. Das Einzige was jetzt noch auffälliger gewesen wäre, wenn man den Ballon zum Platzen, ja ihn sogar zum Explodieren gebracht hätte. Aber precious, precious Loot erwartete diejenigen, welche das Risiko eingingen. Ja vielleicht ja sogar etwas mit Visier! Brüderlich geteilt sollte es werden. Und geschah es.
Mit einer G43 und einer K48 mit 3er Visieren ging es weiter auf dem Kamm. Schnurstracks in Richtung des von unserer Karte als vor Waldbrand sicheren ausgezeichneten Gebietes. Erst ein, dann zwei, dann vier Köpfe erhoben sich in sicherer Distanz über den Hügel. Nicht lange auf sich warten lassend, folgte der erste Schuss. Knapp ausgewichen erwiderten wir ohne zu zögern. Erst mal erfolglos. Die Gegnergruppe war allerdings noch so weit entfernt, das sich ein Kampf nicht rechnen würde. Aber die Feinde ließen nicht locker. Doch dann, zu unserem Vorteil, wurden unsere Kontrahenten von hinten überrascht und es flogen die Funken in für uns sicherer Distanz. Da die Aufmerksamkeit nun nicht mehr auf uns lag, entschlossen wir uns weiter in’s Tal zu laufen und hinter einer alten, tiefschwarzen, öligen Lokomotive Stellung zu beziehen.
Die Kupplung schien in Ordnung, aber leider hatte das Ungetüm seine Gleisführung verlassen. Bei der Begutachtung des vor sich hin Rottenden, schlich sich unbemerkt ein weiteres Pärchen an uns heran. Sofort fießlen wieder die ersten Schüsse und Tom, aber auch einer der Arschlöcher von der Gegenseite fielen zu Boden. Der zweite wurde mit Granaten verscheucht und zog sich wie ein kleines schreckhaftes Wiesel zurück hinter den nächsten Grashügel. Ich streckte Tom meine Hand entgegen und er erhob sich langsam vom Boden, bis er wieder ganz auf seinen eigenen Füßen stand. Er spritzte sich schnell eine durchsichtige, klare Flüssigkeit ein und schien erholt von dem Schreck. Das Feuer rückte nun immer näher.
Nun kamen auch die letzten Überlebenden vom Kamm den Berg herunter und mischten sich so dir nichts, mir nichts in unseren Kampf ein. Das Wiesel schien in die ewigen Jagdgründe versetzt worden zu sein, da fiel die Aufmerksamkeit sofort auf uns beide Glückspilze, die wir neben Pfifferlingen und Gänseblümchen im feuchten Gras ruhten. Nun sollte alles ganz schnell gehen.
Tom ging zu Boden. Schüsse fielen. Ich tanzte und wich den Kugeln aus. Tom schaute mir dabei zu und schrie dabei immer wieder „Schieß mein Freund, schieß als gäbe es kein anderes Battle Royale Spiel dass so viel Spaß macht weil du hier mehr triffst und dich nicht über Chancenungleichheit und schlechtes Matchmaking aufregen kannst“.
Ich traf. Es wurde still. Ich rannte Tom noch zur Hilfe doch dann. Dann. Ja es wurde plötzlich Feucht unter der Grasdecke. Ein Freudenerguss der seines Gleichen sucht. Die Freudentränen spritzen nur so aus mir heraus. Dann erscheinen auf dem Flimmerkasten in dünner, weißer Schrift die Worte „YOU CAME FIRST„.